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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: 4 Sa 1340/03
Rechtsgebiete: BetrVG, InsO, KSchG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 111
BetrVG § 112
InsO § 113 Abs. 1 Satz 1
InsO § 113 Abs. 1 Satz 2 a.F.
InsO § 125 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 4
KSchG § 15 Abs. 4
KSchG § 17
ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 2
1. Den Insolvenzverwalter trifft keine Pflicht, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO abzuschließen. Kommt ein solcher Interessenausgleich nicht zustande, dann verbleibt es für die Überprüfbarkeit ausgesprochener Kündigungen des Insolvenzverwalters bei den allgemeinen Regelungen und Grundsätzen des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere bei der Darlegungs- und Beweislast des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG.

2. Das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG kann in die Verhandlung über den Interessenausgleich nach §§ 111, 112 BetrVG aufgenommen werden. In einem solchen Falle kann die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Kündigungen (Zustimmung zu den Kündigungen, Kenntnisnahme) im Interessenausgleich festgehalten werden (LAG Hamm, Urt. v. 16.01.2002 - 2 Sa 1133/01, LAGReport 2002, 246 = ZInsO 2002, 644).


Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.06.2003 (3 Ca 2307/02) abgeändert:

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14.210,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Beklagte ist der durch Beschluß des Amtsgerichts Münster vom 01.11.2002 - 71 IN 97/02 - zum Insolvenzverwalter der A1xxxx W1xxxxxxxxxx GmbH & Co. (Insolvenzschuldnerin) bestellte Insolvenzverwalter. Bei der Insolvenzschuldnerin war der am 08.04.1956 geborene Kläger seit dem 01.09.1990 als Reisender auf Provisionsbasis beschäftigt. Er erzielte ein durchschnittliches monatliches Einkommen auf der Grundlage der letzten zwölf Monatsprovisionen in Höhe von 4.736,82 EUR.

Nach dem Protokoll vom 19.11.2002 über die Anhörung des Betriebsrats nach § 17 KSchG und § 102 BetrVG, welches vom Betriebsratsvorsitzenden und vom Beklagten als Insolvenzverwalter unterzeichnet ist, standen an diesem Tage auf der Tagesordnung folgende Punkte:

1) Der Insolvenzverwalter informiert über den Stand des Verfahrens.

2) Der Insolvenzverwalter begründet seinen Entschluß zur Betriebsstillegung und die geplanten Massenentlassungen.

3) Die Personalliste mit den Kündigungsterminen wird übergeben.

4) Die Rechte der Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz werden erörtert.

5) Der Verwalter informiert über Sozialplan und Interessenausgleich und übergibt Vertragsentwürfe hierzu

6) Sonstiges.

Am 28.11.2002 schloß der Beklagte mit dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin ein Interessenausgleich und ein Sozialplan. Der Interessenausgleich sieht die Betriebsstillegung und die Entlassung sämtlicher Mitarbeiter vor. Mit Schreiben vom 29.11.2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 28.02.2003.

Hiergegen hat der Kläger sich mit seiner beim Arbeitsgericht am 16.12.2002 eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt. Er hat das Vorliegen betrieblicher Gründe in Abrede gestellt und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG und § 17 KSchG gerügt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 29.11.2002 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, der Betriebsrat sei am 19.11.2002 zur Kündigung sämtlicher Mitarbeiter angehört worden. Gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt Rheine sei mit Schreiben vom 28.11.2002 die Massenentlassung angezeigt worden. Sämtlichen Mitarbeitern sei am 29.11.2002 gekündigt worden. Im Hinblick auf die Situation des Unternehmens und mangels Chance zur Fortführung sei der Geschäftsbetrieb mit Ablauf des 31.01.2001 endgültig eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht Rheine hat das Urteil vom 25.06.2003 ( 3 Ca 2307/02) der Klage stattgegeben und festgestellt, daß das zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 29.11.2002 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 14.210,47 EUR festgesetzt.

Gegen das ihm am 06.08.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18.08.2003 Berufung eingelegt und diese am 06.10.2003 begründet.

Er rügt, daß das Arbeitsgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen habe, ihm einen rechtzeitigen Hinweis zu erteilen, daß aus Sicht des Gerichts kein ausreichender Sachvortrag nebst Beweisantritt zum Kündigungsgrund gegeben sei. Erst in den Urteilsgründen fänden sich entsprechende Ausführungen zu diesem Punkt. Nach seiner Bestellung habe er sofort am 01.11.2002 den Entschluß gefaßt, den gesamten Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin sofort einzustellen. Im Vollzug der Stillegungsentscheidung habe er einen Teil der Arbeitnehmer, insgesamt 34 Arbeitnehmer, bereits an diesem Tage freigestellt. Die Gläubigerversammlung habe diese Entscheidung getragen und bestätigt. Entgegen der Handhabung der Insolvenzschuldnerin, als diese noch nicht insolvent gewesen sei, habe er keine neue Ware mehr für eine Kollektion auf Lager produzieren lassen, sondern insoweit die Produktion eingestellt. Es seien lediglich noch verbleibende Lohndruckaufträge erledigt worden. Neue Aufträge, die an die Insolvenzschuldnerin herangetragen worden seien, seien nicht mehr angenommen worden. Zum Zeitpunkt der Stillegungsentscheidung, wie auch zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats und des Kündigungszeitpunkts, sei keine ausreichende Arbeit für die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin mehr gegeben gewesen. Zu diesen Zeitpunkten sei für alle Beteiligten klar gewesen, daß die Arbeit mit jedem noch abzuarbeitenden Auftrag aus dem Altbestand weniger werden und schlußendlich am 31.01.2003 überhaupt keine Arbeit mehr vorhanden sein würde. Soweit die Arbeitnehmer nicht bereits am 01.11.2002 freigestellt worden seien, sei die Freistellung am 31.01.2003 erfolgt. Nach der Betriebseinstellung habe er im März 2003 die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung versteigern lassen. Bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung habe er eine Bewertung des Anlagevermögens durch die Sachverständigen A3xxxxxxx und L2xxxx erstellen lassen, welche bereits am 29.10.2002 vorgelegen habe. Es habe weder die Möglichkeit einer übertragenen Sanierung noch einer Unternehmensfortführung gegeben. Die vorhandenen Lagervorräte habe er nach der Insolvenzeröffnung ab dem 01.11.2002 abverkauft, so daß Vorräte am 31.01.2003 nicht mehr vorhanden gewesen seien. Verträge, die hätten gekündigt werden müssen, seien von ihm auch gekündigt worden. Neben sämtlichen Arbeitnehmern seien auch sämtliche freien Handelsvertreter gekündigt worden. Der Vertrag über die Homepage in der Insolvenzschuldnerin im Internet sei mit Schreiben vom 31.01.2003 beendet worden. Des Weiteren habe er am 11.11.2002 ein Zeitschriftenabonnement und am 15.11.2002 zwei betrieblich von Mitarbeitern genutzte Handyverträge sowie den Vertrag mit der Cellway GmbH beendet. Weitere Verträge seien mit Schreiben vom 07., 15., 17., 30. und 31.01.2003 gekündigt worden. Bei dem Betriebsgrundstück habe es sich um eine kapitalersetzende Nutzungsüberlassung gehandelt. Der Vertrag habe am 31.12.2002 geendet. Dem entsprechend sei die Kündigung des ursprünglich vereinbarten Mietvertrages entbehrlich gewesen, da in der Insolvenz die Nutzung weiterhin entgeltlos habe überlassen werden müssen. Dies sei bis zum 31.11.2003 geschehen.

Das Arbeitsgericht habe weder den vorgetragenen Sachverhalt ausreichend berücksichtigt noch - soweit es den weitergehenden Vortrag für notwendig erachtet habe, ihn hierauf hingewiesen, rechtzeitig vor dem Kammertermin (weiteren) Vortrag zur Betriebsratsanhörung zu machen. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigungen, auch der Kündigung gegenüber dem Kläger, am 19.11.2002 erfolgt. Er habe in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter den gesamten Betriebsrat in den Räumen der Insolvenzschuldnerin an diesem Tage darüber in Kenntnis gesetzt, daß die ordentliche Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen in Folge der Stillegung des gesamten Betriebes zum 31.01.2003 von ihm ausgesprochen werden solle. Die Liste der einzelnen Arbeitnehmer sei dem Betriebsrat am 19.01.2002 vorgelegt worden. In der Personalliste haben eher die Personaldaten der zu kündigenden Arbeitnehmer, also Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Unterhaltspflichten sowie Umstände, die einen besonderen Kündigungsschutz einzelner Arbeitnehmer begründen könnten, und die Bezeichnung des Arbeitsbereichs, in dem der jeweilige Arbeitnehmer tätig gewesen sei, dem Betriebsrat vorgelegt. Im Rahmen der Anhörungen sei er mit dem Betriebsrat die Liste durchgegangen. Er habe dem Betriebsrat dargelegt, daß jeweils die Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt gemäß gesetzlicher Regelung, bei vertraglicher oder gesetzlich längerer Kündigungsfrist mit der Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 InsO erfolgen solle, auch zu welchem konkreten Zeitpunkt, ferner wer bereits freigestellt worden sei und welche Abwicklungsarbeiten von welchen Arbeitnehmern von innerhalb der Kündigungsfrist zu erledigen seien. Der Kündigungsgrund, daß der Betrieb endgültig zum 31.01.2003 stillgelegt werden solle und warum dies geschehen müsse, sei den Mitgliedern des Betriebsrats ebenfalls im Einzelnen dargelegt worden. Hierbei habe er dargelegt, daß keinerlei Perspektive gegeben sei, den Betrieb fortzuführen. Der Betriebsrat habe diese Information zur Kenntnis genommen und weder eine positive noch eine negative Stellungnahme zu den Kündigungen abgegeben, aber selbst keine Perspektive für die Zukunft des Betriebes gesehen. Der Kläger sei in der Personalliste unter der laufenden Nr. 14 mit den einzelnen Daten, wie zuvor dargelegt, aufgeführt. Die Anhörung zu den Kündigungen, darunter der des Klägers, sei am 19.11.2002 erfolgt, die schriftlichen Kündigungen seien am 29.11.2002, also nach Ablauf der Wochenfrist, erfolgt. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß von ihm am 28.11.2002 erstattet worden. Die Stellungnahme des Betriebsrats sei der Anzeige beigefügt worden. Das Arbeitsamt Rheine habe mit Bescheid vom 19.12.2002 der Massenentlassung zugestimmt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine - Az. 3 Ca 2307/02 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, das Arbeitsgericht habe zu Recht dem Vortrag des Beklagten zur angeblichen Betriebsstillegung zum 31.01.2003 als zu pauschal zurückgewiesen. Hinsichtlich des neuerlichen Vortrags in der Berufungsbegründung werde Verspätung gerügt. Höchst vorsorglich werde bestritten, daß der Beklagte noch am 01.11.2002 den Entschluß gefaßt habe, den gesamten Geschäftsbetrieb sofort einzustellen. Es werde des Weiteren bestritten, daß zum Zeitpunkt der Kündigung die geplante Betriebsstillegung bereits greifbare Formen angenommen habe, insbesondere eine Stillegung zum 31.01.2003 bereits festgestanden habe.

Zur Betriebsratsanhörung habe der Beklagte erstinstanzlich nur schlagwortartig vorgetragen. Hinsichtlich seines neuerlichen Vorbringens werde Verspätung gerügt. Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sei nicht erfolgt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, daß sich aus dem Vortrag des Beklagten ebensowenig wie aus den vorgelegten Urkunden ergäbe, ob der Betriebsrat über sämtliche Sozialdaten und kündigungsrelevanten Umstände informiert worden sei. Des Weiteren gehe aus dem Vortrag nicht hervor, inwiefern das Verfahren zum Interessenausgleich und zur Betriebsratsanhörung jeweils gesondert erfolgt sei. Letztlich ergäbe sich aus dem Vortrag und aus den Unterlagen keine Mitteilung über den Zeitpunkt der Betriebsstillegung, was jedoch dringende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung darstelle. Im Übrigen gehöre auch zu einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats die Mitteilung des Kündigungstermins jedes einzelnen Arbeitnehmers. Die im Rahmen des Interessenausgleichs überreichte Personalliste reiche hierzu nicht aus. Höchst vorsorglich werde bestritten, daß der Beklagte den Betriebsrat darüber informiert habe, es sei eine Stillegung des gesamten Betriebes zum 31.01.2003 beabsichtigt. Des Weiteren werde bestritten, daß der Beklagte die Personaldaten der zu kündigenden Arbeitnehmer, wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Familienstand, Unterhaltspflichten dem Betriebsrat bei der Anhörung mitgeteilt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten und die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Vor dem Berufungstermin hat die Prozeßbevollmächtigte des Klägers über ihre Kanzlei mitteilen lassen, daß sie erkrankt und nicht reisefähig sei. Der Vorsitzende hat daraufhin fernmündlich erklärt, er beabsichtige bei Einverständnis im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und er werde sich mit dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten diesbezüglich in Verbindung setzen. Nachdem der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten telefonisch sein Einverständnis mit der Vorgehensweise erklärt hat, hat der Vorsitzende dies der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, wo dieses Ergebnis mit Erleichterung und Zustimmung aufgenommen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

Durch die Kündigung des Beklagten vom 29.11.2002 ist das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin mit der gesetzlichen Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. von drei Monaten zum Monatsende mit Ablauf des 29.02.2003 rechtswirksam wegen Betriebsstillegung beendet worden.

1. Wie sich aus § 15 Abs. 4 KSchG ergibt, kann in der Krise des Unternehmens die Betriebsstillegung als geradezu "klassischer" Fall (Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 261) eines berechtigten dringenden betrieblichen Erfordernisses i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG für eine betriebsbedingte Kündigung angesehen werden (BAG v. 11.03.1998 - 2 AZR 414/97, NZA 1998, 879 = ZIP 1998, 1284; BAG v. 11.03.1998 - 2 AZR 415/97, ZInsO 1998, 191; BAG v. 11.03.1998 - 2 AZR 416/97, ZAP ERW 1998, 180). Damit hängt der Ausgang des Rechtsstreits davon ab, ob die Kündigung vom 29.11.2002 "wegen Betriebsstillegung" ausgesprochen worden ist. Dies wiederum hängt davon ab, ob die auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits "greifbare" Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG v. 18.01.2001 - 2 AZR 167/00, BAGReport 2002, 104 = ZInsO 2001, 822).

1.1. Unter Stillegung eines Betriebsteils ist die Auflösung der insoweit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen und endgültigen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Zwecks dauernd oder zumindest für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (BAG v. 14.10.1982 - 2 AZR 568/80, NJW 1984, 38 = ZIP 1983, 1492; BAG v. 22.05.1997 - 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050 = ZIP 1997, 1555; BAG v. 22.01.1998 - 8 AZR 358/95, ZInsO 1998, 237 = ZAP ERW 1998, 190). Für die Frage der Sozialwidrigkeit einer "wegen" Betriebsstillegung ausgesprochenen Kündigung kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Insolvenzverwalter gegebene Begründung an. Eine vom Insolvenzverwalter mit einer Stillegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn die geplante Maßnahme sich auch rechtlich als Betriebsstillegung und nicht etwa deshalb als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstillegung bewertet. Bei der Auflösung der Betriebsorganisation im Falle einer Betriebsstillegung ist der Insolvenzverwalter nicht gehalten, eine Kündigung erst nach deren Durchführung auszusprechen (BAG v. 22.05.1997 - 8 AZR 103/96, EzA § 613a BGB Nr. 157; BAG v. 22.05.1997 - 8 AZR 118/96, ZInsO 1998, 93). Vielmehr kann er die Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung wirksam bereits dann erklären, wenn die betrieblichen Umstände schon "greifbare Formen" angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stillegung durchgeführt sein wird (BAG v. 23.03.1984 - 7 AZR 407/82, AuR 1984, 154; BAG v. 23.03.1984 - 7 AZR 409/82, ZIP 1984, 1524; BAG v. 22.07.1992 - 2 AZR 84/92, BuW 1992, 732; BAG v. 25.09.1997 - 8 AZR 493/96, KTS 1998, 487 = NZA 1998, 640 = ZAP ERW 1998, 114 = ZIP 1998, 253). Die "greifbaren Formen" können je nach den Umständen des Einzelfalles die Gründe für die Stillegungsabsicht oder auch ihre Durchführungsformen betreffen (BAG v. 19.06.1991 - 2 AZR 127/91, NZA 1991, 891 = ZIP 1991, 1374; BAG v. 22.01.1998 - 8 AZR 775/96, DZWIR 1998, 334 = NZA 1998, 638 = ZIP 1998, 924). Maßgebend sind allein die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (BAG v. 27.09.1984 - 2 AZR 309/83, NZA 1985, 493 = ZIP 1985, 698; BAG v. 05.12.1985 - 2 AZR 3/85, NZA 1986, 522 = ZIP 1986, 795).

1.2. Den Insolvenzverwalter trifft keine Pflicht, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO abzuschließen. Kommt ein solcher Interessenausgleich nicht zustande, dann verbleibt es für die Überprüfbarkeit ausgesprochener Kündigungen des Insolvenzverwalters bei den allgemeinen Regelungen und Grundsätzen des Kündigungsschutzgesetzes (so bereits Warrikoff, BB 1994, 2338, 2341; Däubler/Klebe/Kittner, Anh. §§ 111-113 BetrVG: § 125 InsO Rn. 2; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 125 InsO Rn. 2; Oetker/Friese, DZWIR 2001, 177), insbesondere bei der Darlegungs- und Beweislast des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG (Uhlenbruck/Berscheid, § 125 InsO Rn. 9). Danach hat der Beklagte dem Grundsatz nach nicht nur die Stillegungsabsicht darzulegen, sondern auch im Bestreitensfall auch zu bewiesen. Eine auf den Entschluß des Insolvenzverwalters beruhende Betriebsstillegung ist eine Unternehmerentscheidung, die nicht auf ihre Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit (BAG v. 20.02.1986 - 2 AZR 212/85, NZA 1986, 823; BAG v. 22.05.1986 - 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125 = ZIP 1986, 1410), sondern nur daraufhin nachprüfbar ist, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v. 24.10.1979 - 2 AZR 940/77, MDR 1980, 787 = NJW 1981, 301 = ZIP 1980, 379; BAG v. 30.04.1987 - 2 AZR 184/86, NZA 1987, 776 = ZIP 1987, 1274; BAG v. 06.08.1987 - 2 AZR 559/86, RzK I 5c Nr. 22). Voll nachprüfbar ist dagegen, ob die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft dauerhaft oder zumindest für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne durchgeführt worden ist. Ist die Stillegungsabsicht nicht endgültig, so liegt nur eine rechtlich unerhebliche Betriebspause oder Betriebsunterbrechung vor, die nicht zur Kündigung berechtigt (BAG v. 07.06.1984 - 2 AZR 602/82, NZA 1985, 121 = ZIP 1984, 1517; BAG v. 19.06.1991 - 2 AZR 127/91, NZA 1991, 891 = ZIP 1991, 1374).

1.2.1. Die Stillegung des Betriebs wird nach außen durch Auflösung der Betriebsorganisation dadurch zum Ausdruck gebracht, daß weitere Stillegungsakte -wie z.B. Kündigung der Miet- oder Pachträume, der Strom- und Wasseranschlüsse, des Telefon- und Telefaxanschlusses - hinzukommen, die auf die Auflösung der Betriebsorganisation schließen lassen (BAG v. 30.10.1986 - 2 AZR 696/85, NZA 1987, 382 = ZIP 1987, 734; BAG v. 12.02.1987 - 2 AZR 247/86, NZA 1988, 170 = ZIP 1987, 1478). Ein Betrieb kann auch vom Pächter stillgelegt werden, obgleich er in der Regel nicht legitimiert ist, das Betriebsgrundstück und die Betriebsmittel zu veräußern, also den Betrieb so zu zerschlagen, wie es der Eigentümer könnte (BAG v. 26.02.1987 - 2 AZR 768/85, KTS 1987, 519 = NZA 1987, 419 = ZIP 1987, 731; BAG v. 21.01.1988 - 2 AZR 480/87, NZA 1988, 838). Von einer Stillegung durch den Pächter ist auszugehen, wenn der Pächter seine Stillegungsabsicht unmißverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, den Pachtvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG v. 27.04.1995 - 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155 = ZIP 1995, 1540; BAG v. 22.01.1997 - 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050 = ZIP 1997, 1555). Gleiches muß gelten, wenn der Betrieb - wie hier - vom Mieter des Betriebsgrundstückes stillgelegt wird. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, bei dem Betriebsgrundstück habe es sich um eine kapitalersetzende Nutzungsüberlassung gehandelt. Der Vertrag habe am 31.12.2002 geendet. Dem entsprechend sei die Kündigung des ursprünglich vereinbarten Mietvertrages entbehrlich gewesen, da in der Insolvenz die Nutzung weiterhin entgeltlos habe überlassen werden müssen. Dies sei bis zum 31.11.2003 geschehen.

1.2.2. Im Kündigungsprozeß mit einem Klageantrag nach § 4 KSchG trifft den an die Stelle des Arbeitgebers getretenen Insolvenzverwalter nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Der Umfang der Darlegungslast hängt aber davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einläßt. Das Rechtsprechung spricht insoweit auch von einer abgestuften Darlegungslast (BAG v. 22.11.1973 - 2 AZR 543/72, AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 17.10.1980 - 7 AZR 675/78, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 03.10.1985 - 2 AZR 570/84, RzK I 5f Nr. 3). Vorliegend hat der Beklagte zur Betriebsstillegung vorgetragen, gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt Rheine sei mit Schreiben vom 28.11.2002 die Massenentlassung angezeigt worden. Sämtlichen Mitarbeitern sei am 29.11.2002 gekündigt worden. Im Hinblick auf die Situation des Unternehmens und mangels Chance zur Fortführung sei der Geschäftsbetrieb mit Ablauf des 31.01.2001 endgültig eingestellt worden. Desweiteren hat er auf den Interessenausgleich vom 28.11.2002 Bezug genommen, der wegen der beabsichtigten Betriebsstillegung abgeschlossen worden ist. Der Kläger hat hierauf erst im Kammertermin vom 25.06.2003 erwidert. Seine Prozeßbevollmächtigte hat zu Protokoll erklärt, der Mandant habe mitgeteilt, daß im Betrieb der Insolvenzschuldnerin weiter produziert werde. Telefonisch melde sich eine Firma unter dem Namen "W1xxxxxxxxxx". Teilweise würde die Produktion mit den selben Arbeitnehmern erfolgen, die auch bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt gewesen seien. Es würden auch Kunden angerufen, die früher von der Insolvenzschuldnerin betreut worden seien. Es würden freie Handelsvertreter eingesetzt. Soweit das Arbeitsgericht dies als "bare Münze" hingenommen und den Vortrag des Beklagten bemängelt hat, weil dieser "lediglich die erfolgte Stillegung des Betriebes mitgeteilt (habe), ohne vorzutragen, daß die Stillegung des Betriebes zum 31.01.2003 zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung geplant und absehbar gewesen ist", läßt es zum einen den Inhalt des Interessenausgleichs vom 28.11.2002 und die Massenentlassungsanzeige vom 28.11.2002 außer Acht, zum anderen fehlen rechtliche Hinweise nach § 139 ZPO. Auf den genauen Stillegungszeitpunkt, nämlich den 31.01.2003, kam es dem Beklagten bei seinem Vortrag nicht an, weil er von den 81 Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin, darunter 9 Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz, ausweislich der vorgelegten Massenentlassungsanzeige nur 6 Arbeitnehmer zum 31.01.2003, dem Stillegungszeitpunkt, hat kündigen können. Dem Kläger und weiteren 40 Arbeitnehmern hat er unter Einhaltung der gesetzlichen Höchstfrist von drei Monaten zum Monatsende erst zum 28.02.2003 kündigen können. Wenn das Arbeitsgericht dennoch Zweifel an der beabsichtigten Betriebsstillegung zum Zeitpunkt es Ausspruchs der Kündigungen hatte, obwohl der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11.03.2003 insoweit dem (knappen) Vorbringen des Beklagten überhaupt entgegengetreten ist, hätte es dem Beklagten entsprechende hinweise nach § 139 Abs. 2 ZPO geben müssen.

1.2.3.Dies ist nicht geschehen, so daß der Beklagte zweitinstanzlich unbeschränkt hat weiter vortragen können. Auf das zweitinstanzliche und im Tatbestand festgehaltene Vorbringen des Beklagten wird Bezug genommen. Folglich geht die Verspätungsrüge des Klägers ins Leeret. Soweit der Kläger "höchst vorsorglich" bestritten, daß der Beklagte noch am 01.11.2002 den Entschluß gefaßt habe, den gesamten Geschäftsbetrieb sofort einzustellen, brauchte darüber kein Beweis erhoben werden. Auf den genauen Zeitpunkt der Stillegungsentscheidung kommt es nicht an. Sie lag spätestens am 19.11.2002 vor, denn ausweislich des Protokolls von diesem Tage "über die Anhörung des Betriebsrats nach § 17 KSchG und § 102 BetrVG", welches vom Betriebsratsvorsitzenden und vom Beklagten als Insolvenzverwalter unterzeichnet ist, stand auf der Tagesordnung u.a. folgender Punkte: "Der Insolvenzverwalter begründet seinen Entschluß zur Betriebsstillegung und die geplanten Massenentlassungen." Hierüber haben die Betriebsparteien verhandelt und "wegen" der beabsichtigten Betriebsstillegung und die geplanten Massenentlassungen am 28.11.2002 sowohl einen Interessenausgleich vereinbart als auch einen Sozialplan abgeschlossen. Deshalb geht auch das weitere Bestreiten des Klägers, daß zum Zeitpunkt der Kündigung die geplante Betriebsstillegung bereits greifbare Formen angenommen habe, insbesondere eine Stillegung zum 31.01.2003 bereits festgestanden habe, ins Leere. "Greifbarere" Formen als eine Massenentlassung sind kaum vorstellbar, wenn der Betriebsrat im Interessenausgleich einräumt, "keine realistischen wirtschaftlichen Möglichkeiten (zu sehen), die geplanten Kündigungen zu verhindern". Damit ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers "wegen" Betriebsstillegung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

2. Die hier zu beurteilende ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers gemäß Schreiben des Beklagten vom 29.11.2002 scheitert nicht an der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung. Der Arbeitgeber muß vor Ausspruch einer jeden Kündigung den Betriebsrat anzuhören (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) und hat ihm dabei

- die Person des zu entlassenden Arbeitnehmers einschließlich seiner Personaldaten,

- die Art der Kündigung (Änderungs- oder Beendigungskündigung),

- die Form der Kündigung (außerordentliche oder ordentliche),

- evtl. Kündigungsfrist und -termin sowie

- die Kündigungsgründe

mitzuteilen (BAG v. 16.09.1993 - 2 AZR 267/93, MDR 1994, 697 = NZA 1994, 311). Das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist auch bei Massenentlassungen durchzuführen (ArbG Wesel v. 28.05.1977 - 6 Ca 389/97, NZA-RR 1997, 341 = ZAP ERW 1998, 44 [Berscheid]). Die Anhörungspflicht besteht auch im Insolvenzverfahren, und zwar für den Insolvenzverwalter, der vollumfänglich in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Arbeitgebers getreten ist (BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02, ZInsO 2004, 288 = ZIP 2004, 525).

2.1. Weder ein Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG n.F. [2004] im Eröffnungsverfahren oder nach § 125 Abs. 1 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren noch ein solcher nach § 112 Abs. 1 BetrVG entbindet den Insolvenzverwalter von der Betriebsratsanhörung zu den konkret auszusprechenden Kündigungen nach § 102 BetrVG (BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 532/98, MDR 1999, 1273 = NZA 1999, 1101 = ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1610; BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 148/99, NZA 1999, 1039 = ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1647; BAG v. 21.02.2002 - 2 AZR 581/00, BAGReport 2003, 16 = NZA 2002, 1360 = ZInsO 2002, 1103; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 125 InsO Rn. 88, m.w.N. zum Sach- und Streitstand), noch werden die (normalen) Anforderungen an die Informationspflicht herabgesetzt (LAG Hamm v. 21.03.2002 - 4 Sa 1746/01, LAGReport 2002, 214 = ZInsO 2002, 644). Die nach § 102 BetrVG vorgeschriebene Mitwirkung des Betriebsrats soll den Arbeitgeber veranlassen, die geplante Kündigung als Individualmaßnahme zu überdenken und möglicherweise von ihr abzusehen (BAG v. 11.10.1989 - 2 AZR 88/89, NJW 1990, 2489 = NZA 1990, 748). Das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG kann in die Verhandlung über den Interessenausgleich aufgenommen werden (so bereits ArbG Wesel v. 28.05.1977 - 6 Ca 389/97, NZA-RR 1997, 341 = ZAP ERW 1998, 44 [Berscheid]; LAG Düsseldorf v. 09.10.1997 - 13 Sa 996/97, DB 1998, 926; BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02, ZInsO 2004, 288 = ZIP 2004, 525). Die Betriebsratsanhörung unterliegt auch beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste keinen erleichterten Anforderungen. Dieses Problem ist nicht neu, sondern ist schon seit langem bekannt gewesen und gelöst worden: Treffen Unterrichtungspflichten nach mehreren Vorschriften zusammen, ist es nicht zwingend erforderlich, daß der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat jeweils getrennte Verfahren einleitet. Es ist zulässig und häufig aus Zweckmäßigkeitsgründen angebracht, die einzelnen Verfahren zu verbinden, obwohl sie verschiedenen inhaltlichen Anforderungen unterliegen. Für den Betriebsrat muß aber deutlich werden, welche Verfahren der Arbeitgeber einleiten will und insbesondere, ob nur die Fristen des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, des § 99 Abs. 3 BetrVG, des § 17 Abs. 2 KSchG oder alle diese Fristen anlaufen und ob ein Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG n.F. [2004] bzw. § 125 Abs. 1 InsO mit Namensliste oder nach § 112 Abs. 1 BetrVG ohne eine solche angestrebt wird. Soll die Unterrichtung in einem Akt geschehen, so muß den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen voll entsprechen (grundlegend BAG v. 19.08.1975 - 1 AZR 613/74, AP Nr. 5 zu § 102 BetrVG 1972 [Herschel] = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 16 [Meisel] = SAE 1976, 261 [Otto]). In einem solchen Falle kann die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Kündigungen im Interessenausgleich festgehalten werden. Es kann in der schriftlichen Vereinbarung über den Interessenausgleich zum Ausdruck gebracht werden, daß der Insolvenzverwalter gleichzeitig das Anhörungsverfahren bezüglich der in der Namensliste angegebenen Personen einleitet und der Betriebsrat hinsichtlich aller Kündigungen eine abschließende Stellungnahme abgibt (LAG Hamm v. 16.01.2002 - 2 Sa 1133/01, LAGReport 2002, 246 = ZInsO 2002, 644; LAG Hamm v. 21.03.2002 - 4 Sa 1746/01, LAGReport 2002, 214 = ZInsO 2002, 644; LAG Hamm v. 24.04.2002 - 2 Sa 1847/01, LAGReport 2003, 117 = ZInsO 2002, 788; LAG Hamm v. 04.06.2002 - 4 Sa 57/02, AR-Blattei ES 915 Nr. 21; LAG Hamm v. 04.06.2002 - 4 Sa 81/02, AR-Blattei ES 915 Nr.22 = LAGReport 2003, 14 = NZA-RR 2003, 293 = RzK IV 5 Nr. 38 = ZInsO 2003, 47; LAG Düsseldorf v. 23.01.2003 - 11/12 Sa 1057/02, LAGE § 125 InsO Nr. 3 = ZIP 2003, 817; LAG Hamm v. 12.02.2003 - 2 Sa 826/02, n.v.). Dabei ist den Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats (Zustimmung zu den Kündigungen, abschließende Kenntnisnahme) Rechnung zu tragen (siehe dazu die Formulierungsvorschläge von Bertram, NZI 2001, 625, 629, und Griese, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 1513, 1537/8 Rn. 69).

2.2. Das in § 102 Abs. 1 BetrVG vorgeschriebene Anhörungsverfahren auch bei Aufnahme entsprechender Klauseln in den Interessenausgleich nur wirksam ist (Griese, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 1513, 1538 Rn. 70), wenn es gegenüber dem Betriebsrat

- tatsächlich stattgefunden hat und

- den von der Rechtsprechung zu § 102 BetrVG entwickelten Anforderungen genügt.

Bezüglich der Pflicht, die Kündigungsgründe gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mitzuteilen, gelten gewisse Erleichterungen. Ist dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt, z.B. die Stillegung des Betriebes oder das Sanierungskonzept, aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich bereits bekannt, braucht der Insolvenzverwalter dem Betriebsrat die Kündigungsgründe nicht erneut mitzuteilen (BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 532/98, MDR 1999, 1273 = NZA 1999, 1101 = ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1610; LAG Hamm v. 06.07.2000 - 4 Sa 799/00, DZWIR 2001, 107 [Weisemann] = ZInsO 2000, 569; LAG Hamm v. 16.08.2000 - 2 Sa 1859/99, BB 2000, 2472 = BuW 2001, 657 = ZInsO 2001, 335). Wenn aber derartige Vorkenntnisse bestritten werden, muß der Insolvenzverwalter diese allerdings im Prozeß hinreichend konkret darlegen und ggf. beweisen (LAG Rheinland-Pfalz v. 27.01.2000 - 11 Sa 1062/99, AuR 2000, 195; BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02, ZInsO 2004, 288 = ZIP 2004, 525).

2.2.1. Vorliegend hat der Beklagte ausweislich des Protokolls vom 19.11.2002 "über die Anhörung des Betriebsrats nach § 17 KSchG und § 102 BetrVG", welches vom Betriebsratsvorsitzenden und vom Beklagten als Insolvenzverwalter unterzeichnet ist, seinen Entschluß zur Betriebsstillegung und die geplanten Massenentlassungen begründet (TOP 2) und dem Betriebsrat die Personalliste mit den Kündigungsterminen übergeben (TOP 3). Beachtet man weiter, daß dem Abschluß eines Interessenausgleichs regelmäßig -und so war es auch hier - längere Verhandlungen vorangehen, auf Grund derer beim Betriebsrat erhebliche Vorkenntnisse über die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe vorhanden sein können, dann hat der Beklagte hat die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung schlüssig dargelegt. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast wäre es sodann Sache des Klägers gewesen, konkret zu beanstanden, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält (vgl. BAG v. 16.03.2000 - 2 AZR 75/99, BB 2000, 1677 = DB 2000, 1524 = NZA 2000, 1332; BAG v. 22.03.2001 - 8 AZR 565/00, ArbRB 2002, 62 [Berscheid] = ZInsO 2001, 1176). Geht es um einen komplexen Sachverhalt wie die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG, so muß die nicht beweisbelastete Partei nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast auf substantiierte Darlegungen der Gegenseite hin deutlich machen, welche Angaben sie für zutreffend erachtet und welche nicht. In diesem Fall kann es nämlich durchaus sein, daß die nicht beweisbelastete Partei einzelne der gegnerischen Angaben, sei es aufgrund eigener Wahrnehmungen, aufgrund von Informationen beteiligter Personen ihres Vertrauens oder aufgrund der Plausibilität und voraussichtlich problemlosen Beweisbarkeit des Vorbringens, für glaubhaft erachtet und nicht länger in Zweifel zieht, oder daß sie einen anderen Sachverhalt darlegen kann. Bei solch komplexen Sachverhalten genügt deshalb kein undifferenziertes pauschales Bestreiten, vielmehr muß die nicht beweisbelastete Partei ihr Bestreiten zumindest soweit substantiieren, daß für das Gericht erkennbar wird, über welche einzelnen Behauptungen der beweisbelasteten Partei Beweis erhoben werden soll (LAG Niedersachsen v. 15.08.2002 - 4 Sa 1781/01, LAGE § 113 BetrVG 1972 Nr. 9 = LAGReport 2003, 83 = ZInsO 2003, 146).

2.2.2. Der Kläger bestreitet höchst vorsorglich, daß der Beklagte den Betriebsrat darüber informiert habe, es sei eine Stillegung des gesamten Betriebes zum 31.01.2003 beabsichtigt. Desweiteren werde bestritten, daß der Beklagte die Personaldaten der zu kündigenden Arbeitnehmer, wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Familienstand, Unterhaltspflichten dem Betriebsrat bei der Anhörung mitgeteilt habe. Weder aus dem Vortrag des Beklagten noch aus den vorgelegten Urkunden ergäbe sich, ob der Betriebsrat über sämtliche Sozialdaten und kündigungsrelevanten Umstände informiert worden sei. Desweiteren gehe aus dem Vortrag nicht hervor, inwiefern das Verfahren zum Interessenausgleich und zur Betriebsratsanhörung jeweils gesondert erfolgt sei. Letztlich ergäbe sich aus dem Vortrag und aus den Unterlagen keine Mitteilung über den Zeitpunkt der Betriebsstillegung zum 31.01.2003, was jedoch dringende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung darstelle. Im übrigen gehöre auch zu einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats die Mitteilung des Kündigungstermins jedes einzelnen Arbeitnehmers. Die im Rahmen des Interessenausgleichs überreichte Personalliste reiche hierzu nicht aus. Dieser Einlassung vermag das Berufungsgericht nicht zu folgen, denn aus der dem Betriebsrat am 19.11.2002 überreichten Personalliste ergeben sich alle kündigungsrelevanten Personaldaten sämtlicher Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin. Kündigt der Arbeitgeber unter Hinweis auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt beabsichtigten Betriebsstillegung, die bereits greifbare Formen angenommen hat (und später tatsächlich vollzogen wird), einheitlich sämtliche Arbeitnehmer, dann ist in einer solchen Konstellation eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht notwendig (LAG Berlin v. 13.07.1999 - 12 Sa 890/98, NZA-RR 2000, 78 = ZInsO 1999, 661; LAG Thüringen v. 16.10.2000 - 8 Sa 207/00, ZInsO 2001, 288 = ZIP 2000, 2331; BAG v. 18.01.2001 - 2 AZR 167/00, ArbRB 2002, 63 [Berscheid] = BAGReport 2002, 104 = ZInsO 2001, 822), so daß Angaben über Familienstand und Unterhaltsverpflichtungen bspw. entbehrlich sind. Die Personalliste enthält u.a. Angaben zum Geburtsdatum und zum Eintrittsdatum, so daß es dem Betriebsrat ohne Nachfragen möglich gewesen ist, die Angaben des Beklagten zur Dauer der Kündigungsfrist (drittletzte Spalte und zum Kündigungstermin (vorletzte Spalte) nachzuvollziehen. Aus der letzten Spalte ist auch zu ersehen, welche Arbeitnehmer vor dem Stillegungstermin und ab wann freigestellt werden sollen bzw. wurden. Der Kläger gehört zu den 34 sofort nach Verfahrenseröffnung am 01.11.2002 freigestellten Arbeitnehmern. Das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist nicht zu beanstanden.

3. Nach alledem hat die Berufung des Beklagten in vollem Umfang Erfolg und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.

3.1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

3.2. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG, § 9 BRAGO i.V.m. § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auf das Vierteljahreseinkommen des Klägers festzusetzen. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.

3.3. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich, denn die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits sämtlich beantwortet bzw. konnten dahingestellt bleiben. Die Nichtzulassung der Revision war in den Urteilstenor aufzunehmen, da die Parteien bereits nach Verkündung des Urteils wissen müssen, ob der zwischen ihnen bestehende Konflikt entschieden ist oder nicht (§ 72 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 64 Abs. 3a ArbGG).

Ende der Entscheidung

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